Nicht jeder Anzug hält,
was er verspricht.

Die Wahrheit ist keine
Interpretationssache.

Schräge Kreationen brauchen
manchmal konservativen Beistand.

Der Teufel steckt
immer wieder im Detail.

Man sieht nicht gleich,
wer etwas zu verbergen hat.

Neue Ideen brauchen zum Schutz
hin und wieder recht alte Schinken.

Ohne Fürsorge kann der
kostbarste Inhalt wertlos werden.

Auf dem Weg zu einem europäischen Urheberrecht?

16. Juli 2018

Die Diskussion über ein europäisches Urheberrecht nimmt in den letzten Monaten wieder Fahrt auf. Der Entwurf des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments für eine neue Urheberrechts-Richtlinie sorgte jüngst für reichlich Zündstoff in dieser ohnehin schon aufgeheizten Debatte. Seitdem sind Begriffe wie „Upload-Filter“ und „Leistungsschutzrecht“ in aller Munde. Aber worum genau geht es eigentlich? Wir haben – mit Unterstützung unseres Praktikanten von der Université Grenoble Alpes – einen Blick auf die aktuellen Ereignisse und ihre Vorgeschichte geworfen.

Die EU bemüht sich aktuell darum, auch im Bereich des Urheberrechts eine deutlichere gemeinsame Linie zu finden. Um den Herausforderungen zu begegnen, vor die sich Urheberrechtsinhaber durch die neuen Medien gestellt sehen, beabsichtigt der europäische Gesetzgeber hier eine weitere internationale Harmonisierung der bisherigen nationalen Regeln.

Im Jahr 2015 kündigte die Europäische Kommission ein großes Projekt zur Harmonisierung des Urheberrechts der Gemeinschaft mit der Schaffung eines digitalen Binnenmarktes an. Das Ziel war, Regelungen zu allen Aspekten in diesem Bereich, einschließlich Geoblocking und digitaler Piraterie, zu erlassen. Beim Geoblocking handelt es sich um eine Beschränkung des Zugangs auf digitale Inhalte, abhängig vom Aufenthaltsort. Digitale Piraterie äußert sich nach wie vor ganz besonders im Bereich des illegalen Streamings und illegaler Downloadangebote von geschützten Inhalten.

Zur Erinnerung: Die Römischen Verträge als Gründungsakt der Europäischen Gemeinschaften sahen ursprünglich nur sehr wenige Regelungen im Bereich des Urheberrechts vor. So sind im Laufe der Jahre sowohl europäische Richtlinien als auch Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hinzugekommen. Hiermit wurde der Versuch unternommen, das gemeinsame Regelungswerk in zahlreichen Punkten zu erweitern.

Die grundlegenden Vertragstexte der Europäischen Union sehen den Grundsatz des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Binnenmarkt vor, betonen aber gleichzeitig auch die Achtung der Rechte des geistigen Eigentums. Dies führt in gewisser Weise zu einem rechtlichen Widerspruch, der sich beispielsweise in der Anwendung des “Erschöpfungsgrundsatzes” niederschlägt.

Dieser Grundsatz bedeutet, dass ein Urheberrechtsinhaber nicht verhindern kann, dass ein einmal von ihm in Verkehr gebrachtes Werk weiterverbreitet wird. Dies entspricht in etwa der im US-amerikanischen Recht geläufigen first-sale doctrine. Wer also etwa eine Musik-CD erwirbt, darf diese auch ohne gesonderte Zustimmung des Berechtigten weiterverkaufen – jedoch nicht selbst erstellte Kopien der CD. Das Unionsrecht verweist auf diesem Rechtsgrundsatz in der Richtlinie vom 22. Mai 2001 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.

Allerdings gestaltet sich die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Thema nach wie vor recht unklar und zumindest aus deutscher Perspektive auch widersprüchlich. Beispielsweise sieht der EuGH in seiner UsedSoft-Entscheidung die Möglichkeit einer „Online-Erschöpfung“, wenn lizensierte Software nicht auf einem physischen Datenträger verkauft, sondern lediglich zum Herunterladen bereitgestellt wird. Diese Möglichkeit wäre mit dem deutschen nationalen Recht aus zahlreichen Gründen nur schwerlich in Einklang zu bringen gewesen, muss aber nunmehr nach dem Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung jedenfalls für Software anerkannt werden.

Das Beispiel der UsedSoft-Entscheidung zeigt: Die eben erwähnte Richtlinie schafft zwar durchaus bereits einen konkretisierten Urheberrechtschutz innerhalb der Europäischen Union. Es handelt sich jedoch nur um einen groben Rahmen für die Rechtssetzung durch die Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten verfügen hierdurch auch weiterhin über einen großen Spielraum auf nationaler Ebene, wodurch ein spezifisches Urheberrecht für jeden Staat weiter besteht.

Diesem Problem versuchte die Europäische Kommission mit ihrer Initiative zur Schaffung eines digitalen Binnenmarktes zu begegnen. Insbesondere wurde die grenzüberschreitende Übertragbarkeit von Online-Inhaltsdiensten im Binnenmarkt vorgeschlagen. Damit wäre das Urheberrecht an den Inhalten im Wohnsitzland (auch wenn die Inhalte in einem anderen Mitgliedsland verwendet werden) als verwertet anzusehen. Ziel war ein besserer Austausch der Werte, die durch den Online-Vertrieb von Werken entstehen.

Ebenso wurden verschiedene legislative Maßnahmen zur Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Urheberrechtssystemen vorgestellt.

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments erarbeitete auf dieser Grundlage einen Entwurf für eine neue Urheberrechts-Richtlinie, den er im Juni 2018 mehrheitlich beschloss und an das Parlament übermittelte. Dieser Entwurf enthielt unter anderem Regelungen für ein EU-weites Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Gesichert werden sollten Urheberrechte zukünftig zudem auch dadurch, dass Plattformbetreiber verpflichtet werden, Upload-Filter zu nutzen.

Upload-Filter haben den Zweck, Inhalte auf Plattformen wie etwa YouTube bereits vorbeugend zu kontrollieren und damit Urheberrechtsverletzungen effizienter verhindern zu können. Bislang müssen Plattformbetreiber regelmäßig erst dann tätig werden, wenn sie auf rechtsverletzende Inhalte hingewiesen werden. Dies geschieht im sogenannten notice-and-take-down-Verfahren. Das geplante Leistungsschutzrecht soll unter anderem Verlagen bereits für die Verwendung kurzer Versatzstücke und Teaser aus ihren Texten Lizenzgebühren gewähren.

Insbesondere die vorgesehenen Upload-Filter wurden heftig kritisiert und von Gegnern der Initiative als „Zensurmittel“ ausgemacht. Aber auch das europäische Leistungsschutzrecht begegnet erheblichen Bedenken, da hierdurch etwa die Tätigkeit von Suchmaschinen wie Google massiv eingeschränkt werden könnte.

Im Juli 2018 wurde diese Vorlage des Rechtsausschusses schlussendlich vom Europäischen Parlament abgelehnt. Das Parlament wird sich nach der Sommerpause nun erneut mit dem Thema befassen. Denkbar ist neben einem Scheitern der Reform auch, dass die umstrittenen Regelungen zum Leistungsschutzrecht und zu Upload-Filtern im neuen Entwurf nicht mehr enthalten sein werden.

Offenkundig ist es ein schwieriges Unterfangen, die teils völlig unterschiedlichen nationalen Vorstellungen vom Urheberrecht auf einen Nenner zu bringen. Es sei daran erinnert, dass auch die Verhandlungen zum transatlanti-schen Freihandelsabkommen TTIP, das ebenfalls zur Harmonisierung auch des Urheberrechts beitragen soll, zwischenzeitlich zum Stillstand gekommen sind. Gleichzeitig erscheint es nahezu unmöglich, hierbei auch noch die bislang bestehende Freiheit im Internet gewähren zu können. Die Diskussion um ein zukünftiges Urheberrecht ist damit zu einem Grundsatzkonflikt am Scheideweg zwischen unbegrenzter Freiheit und effektivem Rechtsschutz geworden, ohne dass eine Lösung, die beides zu vereinen vermag, am Horizont erkennbar wäre.

So bleiben die Rahmenbedingungen im Bereich des grenzüberschreitenden Urheberrechts auch weiterhin unklar. Obwohl es zumindest innerhalb der EU einen gemeinsamen Rahmen gibt – basierend auf dem Vertrag von Rom, einigen europäischen Richtlinien und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union -, haben die auf nationaler Ebene geltenden Bestimmungen auch weiterhin Vorrang.

Lediglich im Bereich des Geoblocking gibt es erste Erfolge zu vermelden, zumindest aus Verbrauchersicht. Seit April dieses Jahres ist bereits die EU-Portabilitätsverordnung in Kraft, die es kurz gesagt ermöglicht, Netflix und Konsorten auch im Urlaub zu nutzen. Hierfür ändert die Verordnung jedoch nicht das Urheberrecht selbst, sondern sie greift zu einem Trick: Die Nutzung von Streamingdiensten bei vorübergehenden Aufenthalten im EU-Ausland wird nun als Nutzung im Inland betrachtet. Ab dem 3. Dezember 2018 gilt zudem die Verordnung gegen ungerechtfertigtes Geoblocking in der gesamten EU, die etwa Cloud-Angebote betrifft. Zumindest in diesem Bereich können nun Diskriminierungen aufgrund des Aufenthaltsortes oder der Staatsangehörigkeit weiter reduziert werden – ein weiterer kleiner Schritt auf dem Weg zu einem tatsächlichen digitalen Binnenmarkt.

Ob jedoch ein ähnlicher Schritt auch für die Interessen von Rechteinhabern folgen wird und ob es dabei gleichzeitig gelingt, nicht das Internet selbst als Medium des offenen Austauschs zu gefährden, bleibt weiterhin abzuwarten. Missglückt dieser schwierige Spagat, wird auch ein angepasster Entwurf der geplanten Richtlinie kaum Aussicht auf Erfolg haben.

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Unsere Anwälte verfügen über umfassende Erfahrung in urheberrechtlichen Streitigkeiten aller Art. Wir helfen Ihnen gerne, wenn Sie Ihre Urheberrechte national wie international durchsetzen wollen. Gerne können Sie uns natürlich auch kontaktieren, wenn Sie sich urheberrechtlichen Ansprüchen anderer Personen ausgesetzt sehen, die Sie für unberechtigt halten.