Nicht jeder Anzug hält,
was er verspricht.

Die Wahrheit ist keine
Interpretationssache.

Schräge Kreationen brauchen
manchmal konservativen Beistand.

Der Teufel steckt
immer wieder im Detail.

Man sieht nicht gleich,
wer etwas zu verbergen hat.

Neue Ideen brauchen zum Schutz
hin und wieder recht alte Schinken.

Ohne Fürsorge kann der
kostbarste Inhalt wertlos werden.

Das Urheberrecht am Tanz und der Streit um Fortnite

1. März 2019

Eine intensive urheberrechtliche Diskussion entzündet sich aktuell am Videospiel „Fortnite“ des Publishers Epic Games. „Fortnite“ ist einer der bekanntesten Vertreter des sogenannten „Battle Royale“-Genres, in dem sich Spieler auf einer sich fortwährend verkleinernden Karte bekämpfen und der letzte Überlebende gewinnt. Dabei ist „Fortnite“ Free2Play, der Erwerb und das Spielen sind also grundsätzlich kostenlos. Einnahmen erwirtschaftet Epic Games über einen eigenen Shop, in dem insbesondere kosmetisches Zubehör gegen echtes Geld erworben kann – der Spieler kann also seinen Charakter etwa mit bestimmten Kleidungsstücken oder Kopfbedeckungen schmücken.

Dieses Prinzip ist, anders als die zur Zeit ebenfalls heiß diskutierten sogenannten „Lootboxen“, rechtlich als solches unbedenklich. Im Gegensatz zur Lootbox weiß der Spieler vorher genau, was er für sein Geld erwirbt. Der Konflikt brach an anderer Stelle aus – nicht am Prinzip des Itemerwerbs gegen Echtgeld, sondern an den angebotenen Inhalten selbst.

Neben optischen Veränderungen kann der Spieler für seine Spielfigur nämlich auch bestimmte Bewegungen erwerben, die er dann während des Spiels durch einen Tastendruck auslösen kann. Zu diesen Bewegungen zählen nicht lediglich einfache Gesten, sondern auch Tanzschritte. Diese Tänze werden von Spielern intensiv genutzt und haben mit ihrer Verbreitung etwa über YouTube-Videos den Ruf von „Fortnite“ in die analoge Welt getragen – selbst Bundesligaprofis und Footballspieler in der NFL haben ihre sportlichen Erfolge schon mit Tanzbewegungen aus „Fortnite“ gefeiert.

Das Problem: Viele dieser Tanzbewegungen stammen ursprünglich überhaupt nicht von den „Fortnite“-Entwicklern, sondern es handelt sich um popkulturelle Referenzen. So lehnt sich der „Fortnite“-Tanz mit dem Namen „Fresh“ an einen Charakter aus der Serie „Fresh Prince of Bel Air“, im deutschen Fernsehen bekannt als „Der Prinz von Bel Air“, an. Den „Orange Justice“-Tanz aus dem Spiel erfand eine YouTube-Berühmtheit, bekannt als „Orange Shirt Kid“. Der „Swipe It“-Tanz ist ursprünglich eine Schöpfung des Rappers 2 Milly. Und der zumindest in Deutschland vielleicht bekannteste Tanz, der „Floss“, stammt von einer anderen Social-Media-Berühmtheit, dem „Backpack Kid“.

Wann immer ohne Erlaubnis die Schöpfungen eines anderen kommerziell verwendet werden, liegt in rechtlicher Hinsicht der Gedanke an eine Urheberrechtsverletzung nahe. Dies leuchtet ein bei greifbaren, körperlichen Produkten wie Filmen, Büchern, Musik. Wie steht es aber mit dem Urheberrecht am Tanz – gibt es überhaupt einen urheberrechtlichen Schutz von Tanzbewegungen, und wem steht er zu?

Allgemein erstrecken sich Urheberrechte nicht nur auf diejenigen Inhalte, die üblicherweise auf klassischen Medien gespeichert werden. Dieser Gedanke mag zunächst ungewohnt erscheinen, aber auch Musik oder Film sind, ebenso wie der Tanz, vom Speichermedium gelöst keine körperlichen Gegenstände. § 2 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) listet dementsprechend auch – lediglich beispielhaft – diejenigen Werke auf, für die in Deutschland urheberrechtlicher Schutz bestehen kann. Neben einigen anderen Werkarten, die ebenfalls weniger geläufig erscheinen als Film, Musik oder Literatur, benennt § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG hier ausdrücklich auch den Tanz. Die erste Frage beantwortet das deutsche Urheberrecht also mit einem eindeutigen Ja – ein urheberrechtlicher Schutz von Tanzbewegungen existiert.

Hier ist nun aber, wie stets, § 2 Abs. 2 UrhG zu beachten. Urheberrechtlichen Schutz genießen nur persönliche geistige Schöpfungen – das Prinzip der sogenannten Schöpfungshöhe. Um diese Schöpfungshöhe zu erlangen, muss es sich auch bei einem Tanz um eine menschliche gestalterische Schöpfungstätigkeit handeln, die die Individualität des Schöpfers hinreichend manifestiert, also Ausdruck von Gedankeninhalt und Gefühlen des Schöpfers ist. Untechnisch gesagt, muss sich der Tanz also, wie jedes andere Werk auch, durch eine gewisse Originalität und Einzigartigkeit abgrenzen, um urheberrechtlich geschützt sein zu können.

Bei aufwändigen Choreografien ist dies ohne weiteres der Fall. Schwieriger allerdings wird es bei einzelnen Sequenzen einer Choreografie oder bloßen einzelnen Bewegungen. Wie stets, kommt es auch hier auf den Einzelfall an. Maßstab ist die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts – eher Schlagwort als Definition. Besagen soll die „kleine Münze“, dass an die eben genannten Anforderungen keine überhöhten Maßstäbe angelegt werden sollen.

Auch hiernach dürfte es zumindest nach deutschem Recht allerdings zweifelhaft sein, ob die einzelnen Tanzbewegungen aus „Fortnite“ wirklich urheberrechtlichen Schutz genießen. Im US-amerikanischen Urheberrecht wird der Begriff des geschützten Werkes darüber hinaus traditionell noch wesentlich enger und restriktiver ausgelegt als in Deutschland – man könnte sagen, die „kleine Münze“ reicht dort nicht aus. Dementsprechend wäre ein urheberrechtlicher Schutz der Tanzbewegungen dort noch unwahrscheinlicher als nach hiesigem Recht.

Bleibt die letzte Frage: Wer ist überhaupt Inhaber des Urheberrechts am Tanz? Scheinbar einfach beantwortet § 7 UrhG diese Frage damit, dass Urheber des Werkes stets sein Schöpfer sei. Bei näherer Betrachtung gleicht diese Antwort jedoch eher einem Zirkelschluss – denn offen bleibt weiterhin beispielsweise, ob hier der Choreograf mit seinen Gedanken und deren Umsetzung in Anweisungen oder aber der Tänzer mit der tatsächlichen Erschaffung der bis dahin nur gedachten Bewegungen Schöpfer seien.

Eine Antwort liefert § 73 UrhG. Der Tänzer ist, ebenso wie der Musiker eines Orchesters, ausübender Künstler. Ihm steht damit ein Leistungsschutzrecht zu, während Urheber der Choreograf als „Komponist des Tanzes“ bleibt. Im US-amerikanischen Recht ist zudem die Besonderheit der „Work-for-Hire-Doctrine“ zu beachten, die besagt, dass der Arbeitgeber des Schöpfers Urheberrechtsinhaber werden kann, wenn das Werk für ihn geschaffen wurde. Diese Gestaltung ist dem deutschen Urheberrecht fremd. Das Urheberrecht soll die Beziehung zwischen Schöpfer und Werk schützen und kann daher an niemanden übertragen werden. Möglich ist es einzig, anderen Personen Nutzungsrechte einzuräumen – wobei die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte zumindest faktisch einer Übertragung des Urheberrechts durchaus nahekommt.

Deutlich wird also: Durch die neuen Medien geraten zunehmend auch bislang eher exotischere Materien mehr und mehr in den urheberrechtlichen Fokus – gelegentlich auch von völlig unerwarteter Seite. Dass ein Onlinespiel einmal Anlass geben könnte, den Schutz des geistigen Eigentums an Tanzbewegungen neu zu bewerten, dürften auch in der Fachwelt die wenigsten erwartet haben. Gleichwohl ist mit einiger Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Angriffe auf „Fortnite“ in urheberrechtlicher Hinsicht zumindest großteils ohne Erfolg bleiben werden. Dennoch zeigt der Fall exemplarisch, welchen Herausforderungen die Rechtswelt sich auch zukünftig immer wieder zu stellen haben wird.

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